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 Vor vielen hundert Jahren war dort, wo heute das Rathaus der Bergstadt Wildemann steht, eine kleine Hütte. In dieser Hütte wohnten Moosweibchen und Waldweibchen.Wenn sich nun jemand in den Harzforsten verirrt hatte, dann kamen sie herbei und führten ihn in ihre Hütte, gaben ihm zu essen und zu trinken und zeigten ihm den richtigen Weg. Als Dank erbaten sie von ihm beim Abschied, er solle drei Kreuze in die Stämme der Tannen schneiden, damit der Wilde Mann ihnen nichts anhaben könne. Denn der Wilde Mann trage als Waffe ausgerissene Tannen. Wenn aber die Stämme mit Kreuzen gezeichnet seien, dann könne er anderen kein Leid antun.Hier kommt eine schöne Geschichte: Die Moosweiblein. Der wilde Jäger ist ein rechter Störenfried, das wird keiner bestreiten, der ihn gesehen und gehört hat. Wer ihn nicht gehört, der kann überhaupt nicht mitreden, der hört eben bloß zu. Die Zwerge und Elfen, die Hexen, alle laufen dem wilden Jäger nach und erhöhen seinen Lärm und Unfug. Einesteils fürchten sich diese Wesen vor ihm, andernteils aber steckt zu viel von der satanischen Lärmluft in ihrem eigenen Wesen, und sie können nicht widerstehen, sie ziehen mit. Abseits von dem Spuk hielten sich von jeher die Moosweiblein. Die letzten, von denen man weiß, haben bei der Bergstadt Wildemann gewohnt in einer Mooshütte. Kaum drei Spann hoch waren diese Weibchen. Sie webten sich grüne Kleidchen von Moos und hatten Hütchen von Moos auf den Köpfen. Gar niedlich und zierlich sahen sie aus und sie trippelten immer sehr eilig herbei, wenn jemand in die Nähe kam, um ihre Hilfe zu erbitten für Krankheit oder sonstige Not. Die Moosweibchen waren reiche Leutchen und sie waren auch nicht geizig. Das einzige, was sie verlangten, war, dass der, welchem sie ausgeholfen hatten, ein Kreuz in die Rinde eines Baumes schnitt. Über solches Kreuz waren dann die Moosweibchen sehr glücklich und bedankten sich vielmal dafür. Der wilde Jäger, seine Tutursel und das ganze Gefolge dieser Höllenherrschaft mögen nämlich kein Kreuz leiden. Sie fliehen mit tobendem Gebrüll vor dem heiligen Zeichen, und so waren die Weiblein geschützt vor den Unholden. Eine arme Witwe in Wildemann nährte sich kümmerlich von ihrer Hände Arbeit, und ihr einziger, fleißiger Sohn sollte ihr genommen werden, um Soldat zu werden. Hätte sie Geld gehabt, ihn loszukaufen, da hätte es nichts zu sagen gehabt, so aber war keine Aussicht für den Burschen frei zu kommen. Betrübt saß er mit seiner Mutter in der kleinen Stube, und als sie nun so überlegten, sagte der Sohn: „Wäßte wos, Mutter, ich gieh noch de Mußweible, die missen mer halfen" „Ach," sagte die Mutter, „die sollen ahch jeden halfen, wuh solls denn harkumme – Meh ward ahch winger." -„Na – ich gieh hin," sagte der Bursche und richtig, am andern Morgen ging er nach der Mooshütte und klopfte bescheiden an. „Herein!" riefen alle Weibchen, der Bursch kauerte sich nieder, steckte den Kopf in die Hütte (er war viel zu groß um einzutreten) und sagte sein Anliegen. Da trippelten alle die Weibchen herbei und bedauerten ihn und sagten, er solle Spaten und Sack holen von zu Haus und ihr Gärtchen umgraben. Das Gärtchen war nur klein, und es standen im Sommer seltsame Blumen darin, die man sonst nirgends sieht. Der Bursch sah sich die Weibchen ordentlich an, und da entdeckte er dann, dass sie samt und sonders Gänsefüßchen hatten. Es wollte ihm fast gruseln, aber die freundlichen, gutmütigen Gesichtchen der kleinen Frauen sahen nicht bösartig aus, sondern erweckten sein volles Vertrauen. Sie zeigten ihm den Garten und als er fortging, sagten sie noch: „Lies alle harten Stücke in deinen Sack und sprich kein Wort bei der Arbeit." So holte sich der Bursch denn Spaten und Sack und mache sich stillschweigend an seine Arbeit. Klirr! Bei jedem Spatenstich kamen silberne, schwere Talerstücke zutage, und der Bursch musste sich oftmals bücken, die harten Taler in seinen Sack zu werfen. Ein Moosweiblein schritt vorüber, nickte dem Fleißigen freundlich zu und legte bedeutsam den Zeigefinder auf den Mund. „Ich soll schweigen," dachte der Bursch, lachte das Weibchen freundlich an und nickte. Die Mutter daheim saß am Spinnrad. Da packte sie plötzlich eine wilde Angst um ihren einzigen Sohn. Eilig lief sie der Mooshütte der Weiblein zu und sah mit Stauen die seltsame Ernte ihres Jungen. „Mutter," rief der Bursche, - und „guck doch – die vielen Tohlersch." Da – da hörte das Ernten auf. Der dankbare Mensch grub das Stücklein Garten zu Ende, aber kein einzig hartes Stück kam mehr zum Vorschein. Die beiden trugen ihren Talersack nach Haus, und siehe, aus allen Büschen kicherten es, und viele Moosweiblein trippelten an ihnen vorbei. Alle kicherten und lachten, und die Mutter und ihr Junge lachten auch; denn der Inhalt des Sackes half ihnen aus all ihren Sorgen für ihre ganze Lebenszeit. Die guten Moosweibchen waren allbeliebt, und gar manchen hungernden oder verirrten Wanderer haben sie zurechtgewiesen und gesättigt, aber auch ihre Stunde schlug, in welcher sie vertrieben wurden. Ein fremder Bergmann kam nach Wildemann, der hörte von der Freigebigkeit der Moosweiblein. Ihre Freigebigkeit ärgerte ihn, weil der einen bösen neidischen Charakter hatte. Er beschloß, alles Besitztum der guten Weibchen an sich zu bringen und ging hinaus. Aber die Weiblein weigerten ihm die Herausgabe ihrer Habe. Da zerstörte der Bösewicht die Mooshütte der Aermsten und riß alle Bäume mit den Kreuzen heraus. Die Moosweiblein entflohen, und keiner weiß wohin.
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